03.10.2023 | KITZBÜHEL Magazin

Am Ende war der Neuanfang

Das Grand Hotel erzählt über Prunk, Niedergang und Wiedergeburt

Ich will es einem meiner lieben Gäste gleichtun. So, wie einst Erich Kästner in seinen lebendigen Büchern, erzähle ich hier von meiner Geschichte. Es ist nur leider keine Erzählung für Kinder. Zu viel ist hier passiert. Sehr viel Gutes, atemberaubend Glamouröses, aber leider auch Schlechtes. Doch nun lesen Sie und tauchen Sie ein in meine Memoiren.

Wie immer, fängt auch meine Geschichte mit einer Idee an. Franz Reisch, der Vater des Tourismusortes Kitzbühel, hatte die Vision eines repräsentativen Hotels im Stile der Häuser in Sulden und Karersee. Und wie es so ist, wenn man mit voller Inbrunst überzeugt ist, so finden sich die Richtigen zusammen. Sechs Kitzbüheler Herren gründeten am 14. Jänner 1902 den Hotelbau-Verein Kitzbühel.

Mit voller Euphorie engagierten sie den Architekten Otto Schmid, der selbst Erbauer und Mitbesitzer des Grand Hotels in Sulden war. Und stellen Sie sich vor, im September 1902 wurde bereits das erste Foto von mir gemacht: bei der Firstfeier – umgeben mit Honoratioren der Stadt. Es dauerte kein weiteres Jahr bis zur Eröffnung. Ab dem 12. Juli 1903 begrüßte ich als Hôtel Kitzbühel meine ersten Gäste – auf einem 43.000 m2 großen, freien Plateau mit Parkanlage und Tennisplätzen, 80 Zimmern, Dampfheizung, Bädern, elektrischer Beleuchtung in allen Räumen, Lift, großer Halle, großem Speisesaal, schönem Restaurantraum mit Veranda und Garten, ferner einem Damen-, Musik- und Lesezimmer, Billardzimmer, und fotografischer Dunkelkammer. Es lief wirklich alles erfreulich und so durfte sich Kitzbühel über 1000 Gäste mehr im Vergleich zu den besten Jahren zuvor erfreuen.

Nobles Domizil für Geld- und Hochadel

So nahm meine Geschichte Fahrt auf. Nach wenigen Jahren wurde ich umbenannt: „Grand Hotel“ wäre passender, so der Tenor der Gesellschafter. Ich wurde winterfit gemacht und Regierungsrat Dr. Anton Kofler übernahm 25 % der Anteile sowie die Leitung. Ein enormer Spagat für den damals 53-jährigen Politiker, denn er war unter anderem als Kaiserlicher Rat Vertreter der Interessen Nordtirols im Reichsrat. Dennoch gelang es ihm, mich in den folgenden Jahren zum noblen Domizil des internationalen Geld- und Hochadels zu machen. Es logierten begüterte Gäste aus Ungarn, Deutschland, England, Russland und Nordamerika. Am 13. Februar 1911 berichtete die kaiserliche Wiener Zeitung: „Kitzbühel dürfte zurzeit, abgesehen vom Semmering, die erste Stelle unter den österreichischen Wintersportstätten einnehmen.“ 

Es folgten goldene Jahre. Doch leider, wie uns alle die Weltgeschichte veränderte, gingen auch an mir die Kriegsjahre nicht ungeschehen vorbei. Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges im Sommer 1914 musste das männliche Personal in den Krieg ziehen. Die ersten verwundeten Soldaten wurden zu mir ins Hotel gebracht und ich diente weiter als Lazarett. Sie können sich vorstellen, wie renovierungsbedürftig ich nach dieser Zeit war. Aber, es war immer noch Jammern auf hohem Niveau. Denn viele hohe Offiziere der englischen Besatzungstruppen mit ihren Familien und ausländische Stammgäste reisten nach dem Krieg an. Es flossen Devisen in die Kasse, die bis Mitte der 1920er Jahre Renovierungen und Modernisierungen ermöglichten. Die Kitzbüheler BürgerInnen hatten es vergleichsweise viel schwerer. Und so, liebe Leser, verwundert es Sie bestimmt nicht, dass der soziale Zündstoff zwischen illustren Gästen, Vertretern des Geldadels, Repräsentanten der Kriegsgewinner und der Bevölkerung enorm war. Die Bergarbeiter drohten sogar mit der Erstürmung des Grand Hotels. Zum Glück blieb es bei der Drohung.

Eine rauschende Zeit ohne Grenzen

Mit der Zeit schien sich alles zu erholen. Die ersten Gäste reisten mit eigenen Autos an. Ich wurde Jahr für Jahr erneuert und erweitert. Russische Emigranten, Industrielle, Wirtschaftsmanager und Geldleute, die durch den Krieg verdient hatten, kamen nun zu mir. 1925 war ich nahezu ausgebucht. So auch die mir angeschlossene Skischule Grand Hotel, die unter der Leitung der Brüder Monitzer war. Nie werde ich den Rudi Monitzer mit seinen legendären Sprüchen vergessen.

Zu jener Zeit fanden auch die großen Bälle und Aufführungen statt. Bis zu zwei bis drei Bälle pro Woche! Der gesellschaftliche Direktor Teddy Haas leistete mit seinen DekorateurInnen Großes. So verwandelten sie mich beispielsweise beim Apachenball in einen Zoo, gestalteten mich um für eine afrikanische Nacht: Stunden im Paradies. Bei den Bällen spielten oft sechs Musikkapellen. Zu späterer Stunde feierten die Nachtschwärmer unter den Gästen im Lumpenstüberl, einer gemütlichen Bar im Keller, weiter.

Domizil für Adel und Aristokratie

Meine persönliche Glanzzeit war zweifellos Mitte der 1930er erreicht: Ich wurde zum Prunkstück – ausgestattet mit Komfort und Eleganz, in künstlerischer und raumtechnischer Hinsicht, mit wertvollen Gemälden und Skulpturen. Und so war es wahrscheinlich meine persönliche Krönung: der Urlaub des Prince of Wales im Februar 1935 im Grand Hotel. Nur ein Jahr später wurde er Englands König Edward VIII. – wenn auch nur für kurze Zeit. In der Zeitung las ich am 7. Februar 1935: „So viel Luxus, so viel Eleganz und so viel Geld war wohl kaum jemals in einer kleinen österreichischen Stadt beisammen, wie jetzt in Kitzbühel.“ Die Hocharistokratie Europas, Millionäre und Millionärinnen aus Paris, Brüssel und Amsterdam, Stars aus der Film- und Theaterwelt waren nach Kitzbühel gereist und vor allem bei den Engländern und Amerikanern war das Bedürfnis groß, sich im Schatten des berühmten Gastes in Kitzbühel aufzuhalten. Kitzbühel war bis in den März hinein ausgebucht. Eine eigene Telefonleitung für den Prinzen und fünf weitere Leitungen für die Pressevertreter waren gelegt worden.

Aus bunt wird braun

Doch dann kam erneut der Krieg: der zweite Weltkrieg. Das buntgemischte, glitzernde, internationale Publikum wurde von einer reichsdeutschen Gästewelle ersetzt. Ich wurde entsprechend in Szene gesetzt: Mit Hakenkreuz-Emblemen und -Transparent über dem Giebel. Es war eine paradoxe Zeit. Trotz Ausbruch des Krieges wurde 1940 im vollen Maße Silvester gefeiert und während der Wintersaison befanden sich nur 200 Gäste weniger in Kitzbühel als im Jahr zuvor. Der Betrieb des Hotels ging also weiter. Ich wurde zum Unterschlupf von RepräsentantInnen und MitarbeiterInnen der nazifreundlichen Regierungen Albaniens, Bulgariens, Serbiens und der Slowakei. Erneut Geschichte wurde im Mai 1945 geschrieben, als das Verhör von Reichsmarschall Hermann Göring in meinem Zimmer 128 stattfand. Wegen des zu freundlichen Umgangs mit ihm, wurde der verantwortliche amerikanische General umgehend in die USA zurückbeordert. Am 9. Mai wurde Göring dann in einer kleineren meiner Kammern verhaftet und nach Luxemburg gebracht. Im Sommer 1945 wurde ich dann zum Hauptquartier der französischen Besatzungsmacht.

Der bleichende Charme

Im Nachhinein betrachtet, startete ich einen gewissen Neuanfang nach dem zweiten Weltkrieg. Es kamen einige Stammgäste zurück und ich hatte noch immer genügend Charme, um interessante Gäste anzuziehen, wie das persische Kaiserpaar, Stars und Sternchen aus der Filmwelt. Doch in den 1960er und 1970er Jahren fing mein Glanz an zu verblassen. Notwendige, größere Investitionen wurden nicht gemacht, denn Dr. Ekkehard Koflers Maxime war stets, das Haus immer schuldenfrei und die Mitgesellschafter bei Laune zu halten, damit sie ihm freie Hand bei allen Entscheidungen ließen. Er hatte die Geschicke des Hotels so vortrefflich geführt! All die erfolgreichen Jahrzehnte dürfen auf ihn geschrieben werden. Aber sein Denken kollidierte mit den Vorstellungen seiner Söhne, die mich modernisieren wollten. Doch vergebens. Dr. Ekkehard Kofler konnte mich nicht loslassen. Und so kam es, wie es wohl sein musste: Als Dr. Ekkehard Kofler am 30. Juni 1982 starb, besaß er noch immer mehr als die Hälfte der Stammeinlage. Er bestimmte also bis dahin, mit stolzen 92 Jahren, die Geschicke meines Hauses. Dass seine Söhne als Geschäftsführer bereits seit der 1970er Jahre im Unternehmen waren, hatte nur wenig bewirkt – außer die Umbenennung in „Park Hotel“ im Jahr 1976 mit einer Neudefinierung der Zielgruppe. Meine Glanzjahre waren gezählt.

Schlussendlich wurde ich am 1. Oktober 1983 an die Asia Oil Mineral Ges.m.b.H. verkauft. Dem Verkauf voraus ging ein Beschluss des Gemeinderats im Juli 1983, dass ich abgerissen werden dürfte und ein neues 5-Sterne-Hotel hier aufgebaut werden solle. Welch Schande! Aber, zum Glück waren die Zeit, Hartnäckigkeit, Einsicht und die Schwächen der Menschen mein Erfolgsfaktor. Der auftretende Repräsentant der neuen Besitzergesellschaft entlarvte sich als zwielichtiger Finanzjongleur und wurde schlussendlich wegen seiner dubiosen Geschäfte im Februar 1992 in Wien verhaftet. Die Kitzbühelerin Josefine Sulzenbacher kämpfte wie eine Löwin um mich und schaffte es wirklich, das Bundesdenkmalamt umzustimmen: Die Erhaltung des Parkhotels sei im öffentlichen Interesse.

Der Tiefpunkt und die Renaissance

Ich verkam zum Schandfleck Kitzbühels. In den 1990er Jahren wurde ich zum Unterschlupf von Sandlern, Junkies und marodierender Jugendlicher. Als wäre dies nicht schlimm genug gewesen, wurde am 5. Dezember 1991 Georg Perauer, der ehemalige Garagenwart und Betreuer von Dr. Ekkehard Kofler, in der Garage hinter dem Park Hotel mit zwei Schüssen ermordet. Viele Vermutungen und Beschuldigungen kursierten. Doch der Täter wurde bis heute nicht gefunden. Und zu all dem obendrauf musste ich auch noch den Brand meines Dachstuhls im Februar 1994 erleben.

Zum Glück folgt nach Regen immer Sonnenschein. Und der hat für mich einen Namen: Ernst Freiberger. Er erkannte mein Potential und hatte Geduld, Geld und Kontakte, um all die Verwirrungen um mich herum zu lösen und kaufte mich mit Grund und Boden. Am 2. Jänner 1996 machte er es via Presseerklärung offiziell und versprach: „So bekommt Kitzbühel zurück, was es einstmals besaß und seit langem vermisst – eine erste Adresse für anspruchsvolle Touristen, Geschäftsleute und internationale Kongresse: ein Grand Hotel mit Tradition und modernem Ambiente.“

Wie wir heute wissen, konnte er das Versprechen nicht ganz erfüllen. Zu viele Steine wurden dem engagierten Unternehmer Ernst Freiberger in den Weg gelegt. Aus dem geplanten 5-Sterne-Hotel mit 150 Zimmern, Kongresszentrum für 1000 Teilnehmer und der 5-Sterne-Sport-Reha-Klinik wurde leider nichts. Aber er war hartnäckig genug und fand gemeinsam mit Prof. Dr. Herbert Henzler eine Lösung, die sich realisieren ließ: Im Jahr 1998 begann die Entkernung meines Gebäudes. Ich wurde behutsam restauriert. Besonders der ehemalige Große Saal mit der kostbaren Holzdecke strahlt seither wie einst. Im Februar 1999 war der Bau abgeschlossen und ich wurde in voller Schönheit eröffnet: nicht als Hotel, sondern als Ort des Intellekts und der Bildung. Seither kommen jede Woche bis zu 100 junge Manager aus aller Welt zu mir. Sie schätzen die historische Umgebung, die Ruhe des Parks und die zentrale Lage in Kitzbühel. Seit beinahe 25 Jahren verkörpere ich die McKinsey Alpine University, ein Management Learning Center im Grand Hotel Kitzbühel.

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