Abfahrtsonnspitz

23.12.2015 | Wir in Kitzbühel

Tiroler Skitourismus-Forscher – ja das gibt’s !

Auf in eine neue Skisaison

Günther Aigner aus Waidring, befasst sich seit vielen Jahren mit  den Themen rund um die „Zukunft des alpinen Skisports“. Dazu absolvierte er Diplomstudien der Sportwissenschaft und der Wirtschaftspädagogik an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck und an der University of New Orleans („UNO“, USA).

Fünf Thesen zur Zukunft des alpinen Skisports

Nach einigen wichtigen Forschungstätigkeiten am Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck folgt der Wechsel ins Tourismusmarketing. Bei Kitzbühel Tourismus war Günter von 2008 bis Juli 2014 für die vielen Veranstaltungen sowie für das Wintermarketing in Kitzbühel verantwortlich.

Frau steigt aus Pistenraupe

Zukunft Skisport

Seit August 2014 ist nun Günther hauptberuflich als Skitourismus-Forscher tätig und führt die Plattform Zukunft Skisport. Seine „Fünf Thesen zur Zukunft des alpinen Skisports“ stellte der Tiroler erstmals im Sommer 2012 beim Europäischen Forum in Alpbach vor. Zahlreiche Fachvorträge im In- und Ausland folgten in den letzten Jahren. 

Günther Aigner

Günther, wie bist du zum Tiroler Skitourismus-Forscher geworden? Was für eine Idee steckt dahinter und vor allem, was genau macht ein Skitourismus-Forscher? - Das ist eine gute Frage. Denn einen Skitourismus-Forscher hat es bisher ja nicht wirklich gegeben. Ich habe den Beruf vor knapp zwei Jahren erfunden und somit gibt es kaum Erfahrungswerte, wie ein normaler Arbeitsalltag aussehen könnte. Ich kam jedenfalls zu dieser Tätigkeit, weil ich dachte: Es gibt für alles Mögliche einen so genannten Experten. Nur beim Skifahren und beim Skitourismus, mit seiner enormen Bedeutung für Tirol, gibt es keinen Experten. Da dachte ich, das soll sich ändern. Ich will mir also anschauen, seit wann die Menschen bereits Skifahren, und warum sie das tun (Motive zum Betreiben von Skisport). Ich will wissen, wie sich die Schneehöhen in den letzten 120 Jahren verändert haben, und aus welchen Ländern unsere Skitouristen kommen. Weiteres ist wichtig zu erforschen, ob tatsächlich immer weniger Kinder und Jugendliche Skifahren, und ob das Skifahren generell zu einem Hobby der "Reichen und Schönen" wird. 

Kannst du uns zu den "Fünf Thesen zur Zukunft des alpinen Skisports" etwas Genaueres sagen? - Meine These Nummer eins ist, dass der touristische Skilauf wieder zu einer Art Luxussport wird, wie schon in den 1920er und 1930er Jahren. Die Wirtschafts-Boomjahre nach dem Krieg haben den Skitourismus zum Massenphänomen gemacht, jetzt aber heißt es Gürtel enger schnallen. Es werden sich also weniger Leute das Skifahren leisten können. These zwei besagt, dass die Winter auf den Bergen in den letzten 30 Jahren kälter geworden sind, nicht wärmer. Das klingt komisch, ist aber recht nachvollziehbar, wenn man sich näher mit dem Thema beschäftigt. Die Gletscher schmelzen deshalb so stark, weil die Sommer immer heißer und sonniger geworden sind. These Nummer drei versucht zu untermauern, dass unsere Skitouristen immer aus jenen Ländern kommen, in denen die Wirtschaft gut floriert. These Nummer vier besagt, dass in den großen europäischen Märkten, wie zum Beispiel Deutschland oder Niederlande, immer weniger Kinder Ski fahren. These Nummer fünf beschäftigt sich mit der Skigeschichte. Der Mensch fährt seit mindestens 5.000 Jahren Ski... und das wird bis auf weiteres so bleiben. 

Wie wichtig ist es, dass unsere Kinder bereits im Vorschulalter Skifahren lernen? - Sehr wichtig. Als Kind kann man schneller und umfassender lernen, als es einem Erwachsenen möglich ist. Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die bereits als Kind mit dem Skifahren begonnen haben, oft lebenslang Freude am Skifahren haben. Skifahren ist gesund, man ist in der Natur und an der frischen Luft, kann Spaß mit Freunden haben und kann den Sport bis ins hohe Alter ausüben. Skifahren ist einfach toll, und es ist schön, wenn Kinder das Glück haben, Skifahren lernen zu können. In Kitzbühel gibt es deshalb tolle Initiativen, die ALLEN Kindern das Skifahren ermöglichen, zu ganz geringen Kosten. 

Die Freizeitgestaltung der Jugendlichen hat sich ja in den letzten Jahren stark verändert, was wären deine Vorschläge, um hier etwas entgegenzuwirken? - Aus der Sicht des Skisports würde ich vorschlagen, dass die Skiorte statt der schwachsinnigen und inflationären TV-Spots, bei welchen der Kunde das Skigebiet A kaum vom Skigebiet B unterscheiden kann, gemeinsam eine Kampagne starten, in der das Skifahren an und für sich in ein tolles Licht gerückt wird. Ich würde mir eine Werbekampagne wünschen, die die Message transportieren kann, dass Skifahren toll ist, gesund ist, lustig ist, einfach das schönste Hobby der Welt. Wir brauchen eine positive Grundstimmung für das Skifahren. Vor allem für die Kinder und Jugendlichen. Mit bekannten Testimonials, welche auch die immer größer werdende Gruppe der Migranten positiv ansprechen könnten.

 

Bäume mit Schnee bedeckt

Es gab ja auch früher Winter mit wenig oder gar keinen Schnee. Gibt es hier Forschungsergebnisse, die belegen, dass aufgrund der Erderwärmung in Zukunft weniger Schnee fallen wird? - Kurz gesagt: Seit etwa 25 Jahren besagen praktisch alle Klimamodelle, dass es immer weniger Schnee geben wird, und die Winter immer wärmer und kürzer ausfallen werden. In diesen 25 Jahren ist nichts davon passiert. Wir müssen also unterscheiden: Die Klimamodelle der Universitäten sind seit 25 Jahren extrem pessimistisch, und sind es auch für die Zukunft. Die Messdaten aber belegen, dass in den Alpen derzeit mehr Schnee liegt als in den 1920er und 1930er Jahren. In den Medien liest man davon leider nichts.

Das Skifahren wird ja immer kostenintensiver? Was meinst du, wie wird Skifahren in 10 Jahren noch leistbar sein? - Ja, das Skifahren wird noch leistbar sein, wenn man geringe Ansprüche hat. Wer aber mit Achtersessellift inklusive Sitzheizung und Wetterschutzhaube mit einer Geschwindigkeit von 7 Metern pro Sekunde auf den Berg katapultiert werden will, der muss tief in die Tasche greifen. Wir Konsumenten entscheiden also durch die Wahl des Skigebietes, ob das Skifahren günstig oder teuer ist. Wir entscheiden auch, ob wir einen Gebrauchtwagen kaufen oder einen Audi A6 mit allen Extras.

Können die kleinen Skigebiete die nächsten Jahre überleben? Geht es gar nicht mehr ohne den Zusammenschluss? - Die Zusammenschlüsse sind eine Folge der Globalisierung: Schneller, größer, weiter. Nicht nur bei den Einkaufszentren oder den Kinos, sondern auch bei den Skigebieten. Die Leute wollen mehr, sie haben größere Ansprüche als früher. Deshalb werden wir auch in den nächsten 10 Jahren noch viele Zusammenschlüsse erleben, während das ein oder andere kleine und mittlere Skigebiet zusperren muss. Die Menschen jammern zwar, dass ihnen das Skifahren zu teuer wird, fahren aber dann doch in die Premium-Skigebiete, die zwar toll, aber auch teuer sind.

Freerider in steilem Tiefschneehang

Immer mehr Wintersportler drängen sich abseits der gesicherten Pisten, Freeride ist in den letzten Jahren so richtig trendy geworden, ändert sich der Skifahrer? Findet hier ein Umdenken im Tourismus, bei den Bergbahnen usw. statt? - Das Freeriden ist das aktuelle Sehnsuchtsziel der Skifahrer. In den 1960er und 1970er Jahren war dies das Wedeln bzw. der so genannte „Schönskilauf“. Je schöner man Ski fuhr, desto cooler. Dann, in den 90er Jahren, wollten alle Carven. Und nun wollen alle Freeriden. Es ist ein Zeitgeist-Phänomen, dass die Menschen zurück zur Natur wollen. Das wird sich irgendwann wieder drehen. Aber egal wie der Zeitgeist gerade steht: Das Tiefschneefahren wird immer eine gewisse Popularität haben. Wer dieses Gefühl von Freiheit einmal erlebt hat, kommt davon nicht mehr los. Und mit den neuen, breiteren Ski ist das Tiefschneefahren leichter zu lernen als früher. Auch das befeuert den aktuellen Trend „Freeriden“.

Berglandschaft im Schnee

Du als Skitourismus-Forscher kannst uns vielleicht sagen, wann der große Schnee kommt? Was meinst du? - Die Frage nach dem signifikanten Wetter ist so alt wie die Menschheit. „Wird der Sommer fruchtbar sein?“ „Werden wir von großen Unwettern verschont bleiben?“ So oder so ähnlich waren die bangen Fragen der Menschen in allen Zeiten. Heute fragt der touristisch geprägte Mensch: „Wann kommt heuer der große Schnee?“. Diese Frage ist sehr interessant, leider kann sie aber nicht beantwortet werden. Ich selbst bin ja kein Meteorologe, aber ich habe viele Meteorologen in meinem Netzwerk „Zukunft Skisport“, mit welchen ich intensiv Kontakt pflege. Die einhellige Meinung ist, dass exakte Wetterprognosen nicht über einen Zeitraum von 3 bis 5 Tagen hinauskommen. In Tendenzen kann man das Wetter bis zu 10 Tage „erahnen“, jedoch mit großen Unsicherheiten. Tatsache ist, dass die letzten beiden Winter sehr spät gestartet haben, erst nach Weihnachten, aber im Frühling sehr lange andauerten. Vielleicht können wir heuer einen frühen Winterbeginn bewundern, der uns endlich wieder einmal einen schönen romantischen Advent beschert. 

Panoramabild Hahnenkamm mit See

Beschäftigst du dich im Sommer auch mit dem Winter? - Selbstverständlich. Mich beschäftigt der Winter das ganze Jahr. Im Sommer bleibt mir mehr Zeit zum Recherchieren und für meine Statistiken, die sich im Computer als kilometerlange excel-Dateien bemerkbar machen. Im Winter versuche ich viel auf der Piste und im Gelände zu stehen. Als Skitourismus-Forscher darf man nicht vollkommen zum Bürohengst verkommen. Sondern muss auch raus in die Natur. 

Lieben Dank nochmal für die interessanten Antworten und weiterhin viel Freude bei den Forschungen rund um den Winter! 

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